Green Logistic 4.0

Green Logistic 4.0

Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Logistik in KMU der NRW-Speditionswirtschaft – „Green Logistics 4.0“

Logos der Fördergeber: Europäische Union - Europäischer Sozialfond - React EU; ESF in Nordrhein-Westfalen - In Menschen investieren; Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen

Projektpartner

  • RIAS – Rhein-Ruhr-Institut für angewandte Systeminnovation e.V.
  • VSL – Verband Spedition und Logistik NRW e.V. und LAN-Logistik-Akademie NRW
  • 12 Unternehmen (KMU) aus dem Bereich Logistik/Speditionsunternehmen

Projektbeschreibung

1. Ausgangslage/Handlungsbedarf

Die Speditionswirtschaft befindet sich aufgrund der Covid19 Pandemie seit dem Frühjahr 2020 in ei­nem Krisenmodus. Für das Jahr 2020 erwartet die Branche einen Rückgang der Brutto-Wertschöp­fung von knapp 9% trotz vermehrter Online-Bestellungen. Durch die Abhängigkeit von Handel und Industrie differenzieren sich die Schwankungen entlang bestimmter Branchen dabei sehr unter­schiedlich aus: während der Bereich der Lebensmitteltransporte und von Gütern des täglichen Be­darfs nahezu kon­stant bleibt, sind andere Branchensegmente besonders hart betroffen (z.B. Automobilzulieferung, Be­kleidung). Auch sind internationale Lieferketten verstärkt betroffen, etwa durch Grenzschließungen, den Brexit und den ökonomischen Lockdown in bestimmten Industriezweigen. Hier erwarten Experten u.a. ein Re-Design von Lieferketten verbunden mit neuen Anforderungen an die Kooperation in inter­nationalen Liefernetzwerken.

Nach den Erfahrungen mit der Covid19 Pandemie streben viele Speditionsunternehmen nun an, besser auf mögliche weitere sogenannte ‚disruptive Veränderungen‘ vorbereitet zu sein. Hierzu gehören zum Beispiel

  1. die Verbesserung der Trendbeobachtung, um etwa Entwicklungen im Umfeld des Unterneh­mens mit hoher Bedeutung für das eigene Geschäft transparenter zu machen,
  2. die Erarbeitung von Strategien zur flexibleren Anpassung des Geschäftsmodells an sich än­dernde Umwelt-, Markt- und Wettbewerbsbedingungen und
  3. die Entwicklung konkreter Anpassungsmaßnahmen auf Unternehmens- und Beschäftigten­ebene.

Einer der wichtigsten Treiber für die Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft ist dabei künftig zweifellos der Klimawandel. Die dort absehbaren Veränderungen werden die Unternehmen und Be­schäftigten in Zukunft vor noch größere Herausforderungen stellen als die derzeitige Covid19 Pande­mie, da knapp über 20% des CO2-Ausstoßes in Deutschland auf die Logistik zurückgeht. Die Herausfor­derungen gewinnen dabei zusätzlich an Gewicht, weil die Sensibilität für die Folgen des Klimawandels auch mit den neuen Generationen Y und Z, also den jetzt auf den Arbeitsmarkt drängenden jüngeren Menschen, enorm gestiegen ist. Hier vollzieht sich insgesamt ein Wertewandel in der Gesellschaft, der den Unternehmen neue Verantwortungen für umweltverträgliches Handeln zuweist. So machen jün­gere Fachkräfte immer häufiger ihre Entscheidung für einen bestimmten Arbeitgeber davon abhängig, welches Umweltimage das jeweilige Unternehmen besitzt. Auch entscheiden sich immer mehr Kun­den, denen man ein glaubhaftes positives Umwelthandeln vermittelt, bei gleichem Angebotspreis im Wettbewerb für das „grüne Unternehmen“.

Schließlich erhöht sich auch der Druck von der Kundenseite mit Blick auf umweltorientiertes Wirtschaf­ten. So wird im Rahmen von Ausschreibungen öffentlicher aber zunehmend auch privater Auftragge­ber mehr und mehr verlangt, für die angebotene Logistik-Leistung auch den Umwelt-Ressourcenver­brauch bzw. die CO2-Äquivalente oder den Carbon Footprint darzulegen. Zuletzt ist im Kontext des Klimawandels auch auf die kontinuierliche Verschärfung der Regelungsdichte (Umwelt-/Abgasvor­schriften etc.) hinzuweisen, die in den Logistikunternehmen zusätzliche Aufgaben im Rahmen des Compliance-Managements begründen.

Der Druck zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit geht also von allen Seiten aus: von der Gesetz­gebung, von den Kunden und von den Beschäftigten. Aufgrund der Corona-Krise haben die Unterneh­men jedoch erkannt, nicht auf zunehmenden Druck zu warten, sondern pro-aktiv zu handeln.

2. Ziel des Projektes Green Logistics 4.0

In der Logistikbranche hat sich längst die Erkenntnis herausgebildet, dass digitalisierte Unternehmen aktuell besser durch die Krise gekommen sind, was insbesondere auch die Motivation von Nachzüglern im Bereich der Digitalisierung anspornt und den Blick in die Zukunft, d.h. insbesondere auf den Klima­wandel schärft. Die Digitalisierung birgt ein längst noch nicht ausgeschöpftes Potenzial für eine Ver­besserung der Umweltleistung und der Wirtschaftlichkeit in Speditions- und Logistikunternehmen.  

Ziel des hier beschriebenen Projektes ist es, zum einen diese Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Logistik in kleinen und mittleren Unternehmen der Speditionswirtschaft zu erschließen. Dies soll geschehen durch Erarbeitung

(1) eines Reifegradmodells „Green Logistics 4.0“ zur Orientierung der Unternehmen an den Möglich­keiten des digitalen Wandels für eine Verbesserung der Effizienz und Umweltleistung,

(2) von „Beispielen guter Praxis“ im Rahmen von Fallstudien mit den beteiligten Unternehmen und

(3) eines darauf aufbauenden umfassenden Qualifizierungsprogramms für die Beschäftigten und Füh­rungskräfte.

Ein zentrales Anliegen des Vorhabens ist zudem, die kleinen und mittleren Speditionsunternehmen insbesondere im Querschnittsthema „Change-Management“ zu ertüchtigen. Ziel ist es, Kompetenzen für eine lernende Organisation zu vermitteln, die eine deutlich verbesserte und nachhaltige Anpas­sungsfähigkeit des Unternehmens an weitere disruptive Veränderungen (wie Brexit, Klimawandel) er­möglichen.

Zielgruppen des Vorhabens sind alle Berufsgruppen in der Logistik, von Ungelernten über Angelernte bis zu Fach- und Führungskräften.

Das Reifegradmodell „Green Logistics 4.0“ wird anschlussfähig an das im Vorprojekt erfolgreich entwi­ckelte Reifegradmodell „Logistik und Arbeiten 4.0“ gestaltet und somit konstruktiv eine Roadmap zur jeweils nächsten Entwicklungsstufe auf dem Weg zu einer „Grünen und Nachhaltigen Logistik“ skizzie­ren.

Zusammengefasst soll das hier beschriebene Vorhaben vor diesem Hintergrund folgende Fragen be­antworten: Wie kann die digitale Transformation und ein entsprechendes Change-Management zu mehr Nachhaltigkeit des Transport- und Logistiksektors und höherer Widerstandsfähigkeit gegenüber disruptiven Herausforderungen wie die COVID19 Pandemie beitragen?

Die beschriebene Zielsetzung liegt im Kernanliegen des Programms REACT-EU zur Unterstützung der Krisenbewältigung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie und zur Vorbereitung einer grünen, digitalen und stabilen Erholung der Wirtschaft (COM(2020) 451 final), ist für alle Beschäftigten unabhängig vom Geschlecht und anderer Differenzierungsmerkmale relevant, legt den Fokus auf die Verbindung von Innovation durch Digitalisierung und Prävention zur Bewältigung des Klimawandels und ist aufgrund der direkten Einbindung von Unternehmen und des Branchenverbandes zentral auf einen breiten Transfer der Ergebnisse ausgerichtet.

3. Aufgaben und Themen im Projekt Green Logistics

Das Thema „Green Logistics“ ist seit ca. 10 Jahren auf der Agenda der Logistikbranche. Größere Spedi­tionsunternehmen haben hier bereits signifikante Fortschritte in der Umsetzung von Prinzipien nach­haltigen Wirtschaftens machen können, z.B. in der Routen-/Tourenplanung, in der Fahrer-schulung, in der Lagerwirtschaft. Insofern profitieren diese von Win-Win-Effekten, d.h. ökonomischen und ökolo­gischen Vorteilen, etwa durch Ressourcen-/Kosteneinsparungen, aber auch durch Verbesserungen des Unternehmensimages.

Kleinere und mittlere Unternehmen der Branche können häufig, aufgrund ihrer größenbedingten Res­sourcendefizite, derartige doppelte Dividenden noch nicht für sich nutzen. Die digitale Transformation schafft hier neue Potenziale für die Umsetzung einer nachhaltigen grünen Logistik auch in kleinen und mittleren Unternehmen der Speditionswirtschaft. Hier besteht die berechtigte Aussicht für Kleinunter­nehmen, durch intelligente digitale Lösungen Sprunginnovationen im Bereich der grünen Logistik um­setzen zu können, um eine Stärkung ihrer Wettbewerbsposition zu erreichen.

Die erforderlichen Transformationsprozesse im Unternehmen sollen partizipativ angegangen werden, insbesondere das Wissen und die Anforderungen der beteiligten Beschäftigten einbeziehen. Folgende Themen (Auswahl) stehen dabei unter dem Aspekt des Change-Managements im Mittelpunkt des Pro­jektes:

(1) Wandlungsfeld Unternehmensleitung/Administration

  • Digitalisierung der Auftragsverarbeitung (papierloses Büro)
  • Ökobilanzierung und Dokumentation von CO2-Fußabdrücken etc.
  • Compliance-Systeme zur Erfüllung künftiger gesetzlicher Anforderungen

(2) Wandlungsfeld Fuhrpark und Infrastruktur

  • Vernetzung von Fahrern, Fahrzeugen und Infrastruktur: reduziert die Kosten pro Auftrag, senkt die Instandhaltungskosten, vermindert Emissionen und verhindert Unfälle. Gleich-zeitig können Warte- und Arbeitszeiten reduziert werden.
  • Fahrerschulungen (ökologisches Fahren) verbunden mit individuellen Anreizsystemen aus Big-Data Analysen von Telematikanwendungen: führen zu Kosteneinsparungen im Sprit­verbrauch und damit verbundenen CO2-Einsparungen
  • Energieeffizienz im Gebäudebereich und bei Betriebsmitteln: Heizungssteuerung, Beleuch­tung etc.
  • Umgang mit Abfall: Recycling, ReUse etc.
  • umweltfreundliche Lagerung, im Sinne von energieeffizienter Heizung, Kühlung und Be­leuchtung,

(3)  Wandlungsfeld Disposition/Transportmanagement

  • „Digital planen, digital laden, digital fahren“: Verkehrsbündelung, Vermeidung von Leer- und Umwegfahrten, Routenoptimierung und daraus resultierende Kosten- und CO2-Ein­sparungen
  • Ersatz papierbasierter Prozesse in der gesamten Wertkette der Transportlogistik (Smart-Label-Lösungen, digitaler Liederschein in der Cloud mit Datenaustausch)
  • Prozessoptimierung in der (internationalen) Lieferkette: IT-gestützte gemeinsame Kapazi­tätsplanung zwischen Versender, Transporteur und Empfänger führt zu besserer Auslas­tung, Effizienzvorteilen und Ressourceneinsparungen (CO2-Reduktion)

(4) Wandlungsfeld Nachhaltige Geschäftsmodelle

  • Green Marketing: Sensibilisierung von Kunden für nachhaltige Lieferketten
  • Neue Mehrwerte und Nutzen für die Kunden (Tracking/Tracing etc.)

Zu diesen und weiteren Themen werden Weiterbildungsinhalte produziert (Webinare, Konserven, etc.), die von der LAN-Akademie des VSL in ihr Regelangebot übernommen werden.

Das Projekt betritt insofern Neuland, als es

  1. spezifische Lösungen für KMU zur Nutzung von Digitalisierungspotenzialen zur Verbesserung der Ressourceneffizienz und von nachhaltigen Geschäftsmodellen in der Logistik entwickelt,
  2. das zentrale Problem der Organisations- und Personalentwicklung im Sinne eines partizipati­ven Ansatzes der Umsetzung des Change-Managements zwischen Management und beteilig­ten Beschäftigten im Wege der empirischen Erarbeitung von Good- und Best-Practices in den Blick nimmt,
  3. ein darauf basierendes speziell auf KMU zugeschnittenes Programm für die Kompetenz-ent­wicklung von Beschäftigten und Führungskräften erstellt, welches online zur Verfügung ge­stellt wird.

Mit dem Vorhaben wird ein Ende 2020 erfolgreich abgeschlossenes Projekt zur Digitalisierung in der Speditionswirtschaft mit einer neuen Zielrichtung fortgeführt. Im ESF-geförderten Vorläuferprojekt „Logistik und Arbeiten 4.0 in KMU der NRW-Speditionswirtschaft“ konnten mit mehr als 10 KMU Bei­spiele guter Praxis für den digitalen Wandel in den Basisprozessen der Speditionswirtschaft erarbeitet werden. Hierauf soll nun mit einer konsequenten Ausrichtung auf das Thema Nachhaltigkeit in Logistik-Prozessen und Geschäftsmodellen insbesondere für KMU aufgesetzt werden und damit die KMU und deren Beschäftigte zukunftsfähig macht.

4. Inhaltsbezogene Arbeitspakte im Projekt Green Logistics

Die Abwicklung des Vorhabens wird durch folgende inhaltsbezogenen Arbeitspakete strukturiert:

AP 1: Expertengespräche zum Thema Nachhaltigkeit in der Logistik

Es sollen bis zu 10 Expertengespräche mit Unternehmensvertretern, Beratern und Vertretern der Wis­senschaft zum Thema Nachhaltigkeit in der Logistik durchgeführt werden, die in Form von Podcasts im weiteren Verlauf des Vorhabens der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Durch die Experten­gespräche sollen die vorstrukturierten Themen (Kap. 3) weiter vertieft werden und für eine Bearbei­tung in den Fallstudien (AP 4) aufbereitet werden.

AP 2: Veranstaltungen: Kick-off, Zwischen- und Abschlussveranstaltung

Es wird eine Kick-off Veranstaltung durchgeführt, die die am Vorhaben teilnehmenden Unternehmen mit Beratern, Vertretern der Wissenschaft und weiteren externen Unternehmensvertretern zusam­menbringt. Es werden 3-4 Vorträge von externen Referenten vorbereitet sowie ein World-Cafe zur thematischen Fokussierung durchgeführt. Das World-Cafe soll es den teilnehmenden Unternehmens­vertretern ermöglichen, einen umfassenden Überblick über das Thema Grüne und nachhaltige Logistik auf Basis von Digitalisierung zu erhalten. Nach einem Jahr Laufzeit wird eine weitere Veranstaltung zum Zwischenstand des Vorhabens durchgeführt. Eine Abschlussveranstaltung ist am Ende der Laufzeit geplant. Je nach Entwicklung der pandemischen Lage werden die entsprechenden Formate online durchgeführt.

AP 3: Entwicklung des Reifegradmodells Grüne Logistik und Branchenumfrage

Auf Basis von Expertengesprächen sowie Vorarbeiten des Antragstellers RIAS und des Verbundpart­ners VSL wird ein Reifegradmodell „Grüne und Nachhaltige Logistik“ entwickelt, welches es den Unter­nehmen ermöglicht, sich zu unterschiedlichen Themen (siehe Kap. 3) mit Blick auf (1) ihre aktuelle Situation zu positionieren und (2) eine Zielvorstellung darüber zu entwickeln, wie mit Hilfe von Digita­lisierungsmaßnahmen eine verbesserte Doppelte Dividende (Effizienz und Umweltleistung) erzielt werden kann. Das Reifegradmodell wird zunächst über die im Projekt durchzuführenden Fallstudien kalibriert und anschließend über eine Breitenbefragung validiert. Die Breitenbefragung ermöglicht zu­gleich einen Überblick über den Stand der NRW-Speditionswirtschaft zum Thema „Grüne und Nach­haltige Logistik“.

AP 4: Fallstudien in den teilnehmenden Speditionsunternehmen

Die Fallstudien in den zwölf teilnehmenden Speditionsunternehmen dienen zur Kalibrierung des Reife­gradmodells anhand konkreter betrieblicher Beispiele sowie zur Umsetzung ausgewählter Themen (siehe Kap. 3) im Bereich „Digitalisierung und Grüne Logistik“. Es ist geplant, aus dem Themenspektrum dabei jeweils einen konkreten Ansatz pro Unternehmen zu realisieren, so dass sich am Ende des Vor­habens die Lösungskonzepte zu einer Gesamtschau im Sinne von Best Practices gegenseitig ergänzen.

AP 5: Entwicklung und Implementierung eines Blended-Learning Konzeptes „Grüne und Nachhaltige Logistik“

Auf Basis eines Screenings und der Zusammenstellung vorhandener Lerneinheiten zum Thema „Grüne und Nachhaltige Logistik“ wird zunächst die Ausgangssituation Auf Basis der Fallstudien werden zu den darin behandelten Themen weitere Lerneinheiten produziert. Das erfolgreich implementierte Lernma­nagement-System aus dem Vorprojekt „Logistik und Arbeiten 4.0“ wird dementsprechend weiter aus­gebaut.

Das Blended-Learning Konzept und die Kurse werden nach Abschluss des Vorhabens durch die LAN- Logistik Akademie NRW als Regelangebot fortgeführt, in dem die Kurse über die Projektlaufzeit hinaus den Branchenunternehmen zur Verfügung gestellt werden.